Q: Herr Mayer H., die nun für die temporäre Schließung der Pinakothek der Moderne in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft errichtete SCHAUSTELLE basiert auf einem Entwurf, der für Berlin gedacht war, dort nicht zur Ausführung kam und nun in München realisiert wurde. Was sind die Hintergründe für die Idee zu dieser ungewöhnlichen Gerüstkonstruktion?
JMH: Die Schaustelle basiert auf einem räumlichen Konzept, das im unteren Bereich einen geschlossenen flexiblen Raum anbietet, und darüber in einem offenen Raumgerüst unterschiedlichste sich abwechselnde Interventionen, Installationen und Veranstaltungen ermöglicht, mit Referenzen zur Neuen Nationalgalerie in Berlin, bei dem eine grosse frei bespielbare Ausstellungshalle auf einem Sockelgeschoss mit geschlossenem Charakter sitzt, oder zum Konzept des Fun Palace von Cedric Price, einem Gebäude, das als Kulturmaschine ständig in Veränderung war. Diese Idee wurde zum ersten Mal für einen Entwurf einer temporären Kunsthalle in Berlin umgesetzt. Für München haben wir diese Konzeption weiterentwickelt.
Q: Ist dies Ihr erster Entwurf für einen temporären Bau? Was ist das Spezifische an einem Provisorium für eine kurzzeitige Nutzung?
JMH: In Rauminstallation für Museen und Galerien haben wir temporäre Situationen geschaffen, die mit der Architektur in einen Dialog getreten sind. Für die Schaustelle dreht sich dieses Verhältnis um. Hier entsteht ein Angebot von unterschiedlichen Räumen, das eine abwechslungsreiche Bespielung fordert und damit Grenzbereiche kuratorischer Praxis ermöglicht, die man in einem geschlossenen institutionellen Museum so nicht durchführen könnte. Die Schaustelle bietet eine besondere Chance, die Pinakothek der Moderne als lebendigen Teil der Stadt neu zu erleben.
Q: Die Gerüstelemente, die Funktionscontainer und die Verkleidung der SCHAUSTELLE können am Ende weitere Verwendung finden und in den Baukreislauf zurückgeführt werden. Welche Bedeutung hat für Sie die Verwendung wieder verwertbarer Baustoffe?
JHM: Die Schaustelle ist weitgehend mit Bauteilen realisiert, die für Baustellen entwickelt wurden. Damit verweist die Schaustelle auf den danebenliegenden Bau der Pinakothek der Moderne, der im Moment wieder zur Baustelle wird. Die Bauteile werden für ein paar Monate aus ihrem normalen Anwendungsgebiet als reine Baustelleneinrichtung herausgenommen und danach wieder in diesen Zyklus zurückgeführt. Uns war ein respektvoller nachhaltiger Umgang mit den Mitteln für diesen temporären Bau wichtig. Die Schaustelle löst sich also wieder auf.
Q: Das Gebäude bietet für bestimmte künstlerische Medien wie Gemälde oder Papierarbeiten nicht die klimatischen Bedingungen, die eine konservatorisch günstige Präsentation erfordert. Haben Sie bereits bei der Planung bewusst an die Präsentation anderer künstlerischer Ausdrucksformen wie Film, Performance oder Multi Media-Installationen gedacht?
JMH: Für den begrenzten Zeitraum von acht Monaten war im Gespräch mit den Direktoren und Kuratoren der Pinakothek der Moderne die Idee greifbar, die Schaustelle für anderen Ausstellungsformen und Medien zu nutzen. Es kann kein Ersatz zum Museum sein, es ist eine temporäre Ergänzung, die ihre Energie aus dem begrenzten Zeitraum entwickelt.
Q: Ihre Arbeiten spiegeln das Ineinandergreifen der verschiedenen künstlerischen Disziplinen. In der SCHAUSTELLE geht es im Sinne der Kooperation der vier Nutzer um die gattungsübergreifende Realisierung von Ideen und das Experimentieren mit transdisziplinären Ansätzen. Das bedeutet große Herausforderungen, aber auch eine Chance, ein enormes Potential gemeinsam nutzbar zu machen. Kann man nach Ihrer Ansicht für die Zukunft mehr solcher Projekte erwarten?
JMH: Es gibt nicht viele Museen, die Kunst, Architektur und Design zusammen präsentieren können. Der Dialog zwischen den einzelnen Abteilungen kann sich mit der Schaustelle gut darstellen und cross-over-Ausstellungen zeigen. Wenn sich dieser Ansatz weiterentwickeln lässt, wäre das ein grosser Erfolg.
Q: Man spricht Ihrer Architektur eine Ehrlichkeit von Material, Struktur und Funktion zu – gleichzeitig auch eine Einladung zum Spiel. Inwiefern wünschen Sie sich als Architekt eine Form der Aneignung des Gebäudes durch die Nutzer? Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang?
JHM: Die Schaustelle ist vor allem ein Angebot für ein vielfältiges Bespielen, idealerweise rund um die Uhr. Sie lebt durch ein gutes vitales Programm über den gesamten Zeitraum, und dann ist es auch ein Ort, an dem man den Sommer 2013 gerne verbringt. Tag und Nacht.
Danke für das Gespräch.
Photo: © Paul Green